Macht ist eine hartnäckige Illusion.
Ich sitze im Zug. Mein Ziel ist Weimar. Ich vertraue darauf, dass das Zusammenspiel der Menschen und der Technik funktioniert.
Natürlich bin ich frustriert, wenn der Zug auf freier Strecke stehenbleibt.
Natürlich will ich wissen, was da schiefläuft.
Am Rückweg stehe ich.
Andere waren schneller.
Eine Gruppe alter Frauen schimpft sitzend über die Jugend.
Wir wissen immer, was andere machen müssten.
Wir urteilen doch so gerne.
Früher war ja alles besser.
Das wussten schon die alten Römer.
Damals wäre ich wohl als Baby gestorben.
Ohnmächtig.
Macht ist eine hartnäckige Illusion.
Weltreiche kommen und gehen. Manchmal versuchen Diktatoren, den Untergang aufzuhalten. Sie stemmen sich gegen den Abstieg einer Supermacht zur Regionalmacht.
Sie lassen die schwächeren Nachbarn ihre Macht spüren. Doch nichts wird den Verfall des Körpers aufhalten. Auch Diktatoren sterben.
1990 zerbrach der Ostblock.
Die Geschichte endete nicht.
Freiheit überfordert.
Manche sehnen sich nach einem Mächtigen,
der die Richtung vorgibt.
So spaltet sich die Welt neu.
Ich sehe zu.
Ohnmächtig.
Macht ist eine hartnäckige Illusion.
Am Beginn wachsen wir unter dem Herzen der Mutter. Nichts macht uns Sorgen. Wir haben Essen und Trinken. Doch wir spüren die Ängste der Mutter. Wir hören Geräusche und Erschütterungen. Der kleine Körper reagiert darauf. Viel kann das beginnende Bewusstsein nicht tun.
Bereits hier differenzieren sich die Startbedingungen.
Manche haben fehlerhafte Organe oder andere Erkrankungen.
Manche haben arme Eltern, die nicht wissen, wie es weitergeht.
Und plötzlich muss das Ungeborene loslassen. Machtlos.
Macht ist eine hartnäckige Illusion. Ein erster Schrei, dann liegen wir da. Draußen. Wir werden versorgt. Hoffentlich. Langsam gewinnen wir Macht über die Funktionen des eigenen Körpers. Wir erfahren die Möglichkeiten und Grenzen. Wir werden beeinflusst und beeinflussen andere. Manches lassen wir los. Anderes wollen wir festhalten. Der Weg geht sich leichter in Begleitung.
Manche Mütter sind sehr jung.
Manche Mütter kämpfen sich alleine durch.
Manche Väter lassen das Kind im Stich.
Manche Väter kümmern sich.
Es gibt auch Kinder, die bei Pflegeeltern aufwachsen oder adoptiert sind.
Nicht immer glückt der Weg.
Manche Hoffnung zerbricht an der Realität.
Machtlos.
Macht ist eine hartnäckige Illusion.
Mach Dich nicht unfrei.
Geh Deinen eigenen Weg.
Deute Dein Leben im Licht Deines Alltags.
Du hast Deine einmalige Perspektive.
Irgendwann gewinnen wir Freiheit. Wir sind jung. Wir gehen, wohin wir wollen. Wohin wir wollen, sagen uns oft genug andere. Irgendwann sagen auch wir anderen, wohin der Weg geht. Nicht jeder hört. Lassen wir frei, was nicht bleiben will? Zwingen wir anderen unseren Willen auf? Am Ende zerfällt alles. Auch die Erde verglüht in der Sonne und das Universum bleibt kalt.
Ohnmächtig.
Du hast nur Macht, wenn andere Dir Macht geben.
Du hast nur Macht solange Dein Körper Dich am Leben hält.
Du brauchst Essen und Trinken.
Deine Organe müssen funktionieren.
Jesus bleibt unbeeindruckt im Angesicht der weltlichen Macht. Die Spiele der Welt spielt er nicht mit. Das Ohr des Soldaten heilt er. Er legt keinen Wert darauf, von seinen Jüngern gerettet zu werden.
Folge mir nach.
Geh selbst in die Ohnmacht.
Nutze, was Dir geschenkt ist, um andere zu ermächtigen.
Suche keine Macht.
Weder in der Welt noch in der Kirche.
Am Ende lassen wir alles los.
Ohnmacht.
Macht ist eine hartnäckige Illusion. Wir hoffen auf das Glück der Gemeinschaft, in der wir stehen. Wir ignorieren das Leid der Fremden am Weg und feiern unsere Erfolge mit den Freunden.
Wir lieben die, die uns lieben.
Liebe doch mal die, die Dich hassen.
Tu doch mal Gutes denen, die sich nicht für Dich interessieren.
Fahr doch mal von Weimar nach Leipzig mit einer Gruppe von Menschen, die gerne über andere lästern.
Setze Schwerpunkte.
Mach Platz für einen jungen Menschen, dem Du die Krankheit nicht ansiehst.
Urteile nicht, damit Du nicht verurteilt wirst.
Auch Jesus setzt Schwerpunkte. Die Kinder Israels sind seine Aufgabe. Die heidnischen Frau lässt das nicht gelten.
Geh in die Ohnmacht.
Lass Deine Pläne von denen durchkreuzen, die Du nicht eingeplant hast.
Manchmal überfordert uns alles. Warum mühen wir uns? Sollten wir unsere Talente nicht einfach vergraben? Andere wetden ernten, was wir ausgesät haben. Ist nicht alles Windhauch? Was nützt es, wenn wir früh aufstehen und bis spät am Abend arbeiten?
Manchmal reisst uns eine Krankheit aus allen Träumen. Wir hatten doch noch so vieles vor.
So viele Museen. So viele Bücher. So viele Begegnungen. Keine Zeit mehr für das Du.
Als ich jung war, versagte die Niere.
Ich brauchte einen Sitzplatz, doch wer sah mir das an?
Wir wollten anderen helfen und nun sind wir auf Hilfe angewiesen.
Rede nicht über andere. Rede mit anderen.
Du siehst den Splitter im Auge der Anderen.
Da ist aber ein gewaltiger Balken bei Dir.
Erkenne Deine eigene Blindheit.
Du Ohnmächtiger.

Manchmal läuft alles nach Plan. Machtvoll gestalte ich den Weg. Gott hat die Mächtigen gestürzt. Grenzen fallen. Meine Stunde ist gekommen.
Geh mit mir. Ich weiß wohin.
Verlass Deinen Weg. Gott ist mit mir.
Du siehst doch meinen Erfolg.
Gott aber lacht.
Der Ewige sieht den Ohnmächtigen.
Geh und richte den Ohnmächtigen auf.
Es geht nicht um Dich.
Wenn Du alles getan hast,
jammere nicht über fehlenden Dank.
Es war doch einfach nur Deine Aufgabe als Mensch.
Aus Liebe bist Du in diese Welt geworfen.
Du bist Blind.
Andere sind auch Blind.
Hilf dem Du.
Wem bist Du jetzt der Nächste?
Kommentar schreiben