· 

Von der Zärtlichkeit

Das Geheimnis der Hände

Corona brachte Distanz. Das belastete viele Menschen. Die Nähe eines Menschen bringt Geborgenheit und Wärme. Die Nähe eines Menschen kann Ausdruck von Vertrauen und Liebe sein. 

Corona brachte Distanz. Das konnte zum Nachdenken anregen. Der Abstand war Ausdruck der Liebe. 

Ich habe davon bereits geschrieben: es gibt einen Abstand aus Liebe.  

Viele sehnen sich nach Nähe und Berührung. Doch wir haben verlernt, uns zärtlich zu berühren.

 

Werbung und Lieder erzählen von Berührungen in einem Ton, in dem Umarmungen zum Vorspiel sexueller Höhepunkte werden. Doch es gibt viele Formen der vertrauensvollen Nähe. 

Vielleicht ist Zölibat auch deshalb Reizthema, weil wir tatsächlich verlernt haben, uns nahe zu sein ohne den anderen zu besitzen?

Vielleicht verwechseln manche Ehelosigkeit mit Beziehungslosigkeit. Doch es ist nicht gut, allein zu sein. 

Zunächst einmal sollte unstrittig sein: jede Berührung erfordert die klare Zustimmung des anderen. Leider leben wir in einer Realität, in der diese einfache Regel nicht jedem klar ist. Daher zunächst einmal das schönste Video zum Thema Konsens: 

An dem Video gefällt mir, dass es deutlich macht: Nähe hängt von der Zustimmung von zwei Personen ab. 

An dem Video missfällt mir: das Video spiegelt den gesellschaftlichen Konsens, dass Nähe mit Sex zu tun hat. 

Und für manche sind die Zeichen der Nähe unbrauchbar geworden, weil Vertrauen missbraucht wurde. Es gab die Bereitschaft, die eigenen Gefühle zu zeigen und Nähe zuzulassen, doch der andere dachte nur an sich selbst. Nähe wurde verletzend.  Abstand halten ist gerade dann Ausdruck der Liebe. 

Wer verliebt ist, sehnt sich nach der Berührung des Menschen, den er liebt. Wer liebt, sehnt sich danach, den geliebten Menschen glücklich zu machen.. Dies geschieht - zunächst einmal - durch Aufmerksamkeit im Alltag. 

Liebe ist ein Gesamtkunstwerk. Große Kunst braucht Zeit und Energie. Verliebte Menschen möchten möglichst viel Zeit zusammen verbringen. Liebe stirbt, wenn Lebenswelten auseinanderbrechen. Die orthodoxe Theologie kennt diesen Tod der Liebe bei Liebenden. 

Liebe sucht immer neu nach einer gemeinsamen Zukunft. Manchmal müssen Paare erkennen, dass es diese gemeinsame Zukunft nicht gibt.  Manche Liebende wissen um die Klippen des Alltags und verlegen Streitgespräche an den Beginn der Partnerschaft. Das ist klug. Das Paar sieht noch den Schatz im anderen Menschen, aber arbeitet an den möglichen Bruchstellen. 

Die Nähe ist also nicht der Beginn der Freundschaft, sondern die Schlagsahne. Es ist also gut, zu sehen, wie viel Sahne die jeweilige Freundschaft verträgt. Diabetiker lassen die Sahne gerne ganz weg. 

Doch genug der warnenden Worte. Zur Einstimmung ein wenig Musik: 

Der Rahmen liebevoller Berührungen ist Vertrauen. Zärtlichkeit braucht einen geschützten Raum und viel Zeit. Berührung ist Kunst. Am Anfang steht die Hand. Langsam nähern sich die Finger. Jede Hand ist einzigartig. Hände begegnen sich in unserer Kultur bei der Begrüßung. Da gilt ein fester Händedruck als Zeichen der Entschlossenheit. Freunde und Liebende gehen manchmal Hand in Hand. Es gibt Sicherheit auf unwegsamen Gelände, steht aber manchmal auch als öffentliches Zeichen der gegenseitigen Zugehörigkeit. Du bist  mein.  Ich bin Dein. 

Ein gefährlicher Gedanke: Der andere Mensch ist nie mein Besitz. Liebe und Freundschaft sind immer neu eine freiwillige Gabe. Auch jede Berührung ist immer neu abhängig von der Bereitschaft des anderen, die Nähe zuzulassen.

Es ist nicht unhöflich, einen Händedruck zu verweigern. Und Du musst niemanden umarmen. Das klingt so einfach und scheint doch wichtig, zu schreiben. 

Die liebevolle Erkundung der Hand ist also langsam, tastend. Sie sucht immer neu den Blick auf Mimik und Gestik. Sie endet, wenn der andere dies andeutet. Vielleicht ist es nur eine Berührung der Fingerspitze. Es scheint nur ein kleiner Teil des Körpers, aber der Tastsinn sendet die Botschaft durch den ganzen Körper. Wie reagierst Du? Es ist nicht unhöflich, eine Nähe zurückzuweisen. Jeder hat seine eigene Grenze. Es ist gut, dem anderen die eigene Grenze deutlich zu machen. Der Liebende akzeptiert die Grenze. 

Beliebt ist bei vielen Liebenden, die Hände zusammenzulegen. Ein spielerisches Vergleich und zugleich ein Zeichen der achtsamen Nähe. 

Nein, das ist nicht der Auftakt für mehr ... sanft lösen wir uns. Wer sich wirklich Zeit lässt, merkt, dass die Zeit verflogen ist und er erlebt einen Hauch der Ewigkeit.

Ja, da gibt es noch Millionen andere Formen der Berührung, mal sanft, mal intensiver. Doch die wärmende Nähe dieser Freundschaft ist Stärkung für den Alltag. Das Herz spricht, doch die Verantwortung wächst mit der Nähe. In einer Welt der Geschwindigkeit tut es  gut, langsam in den Berührungen zu sein.    

Kommentar schreiben

Kommentare: 0