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Fahrer statt Pfarrer

Seit dem 22. November 2022 bin ich als Fahrer im Auftrag der Leipziger Verkehrsbetriebe in Leipzig unterwegs. Was bedeutet das für mich als Theologe?

Eine Reiterin, die ich vom Reiterhof zur Straßenbahn brachte, sprach es aus: "Ein Theologe als Fahrer. Das ist ja ein richtiges Klischee."

Klar kenne ich das Bild. Je nach Vorliebe kann man hier verschiedene Geisteswissenschaften eintragen: Philosophen, Historiker oder ähnliche brotlose Künste. 

Vielleicht zögerte ich deshalb so lange, mit Auto fahren Geld zu verdienen. Dabei ist es wichtig, den eigenen Weg zu gehen, ohne zu überlegen, was andere denken. Auch ist es gut, niemandem die Schuld zu geben, für die Wege, die das Schicksal vorgegeben hat. Irgendwann ist auch die Ausrede aufgebraucht, die Eltern, Erzieher oder andere Institutionen wären Schuld am eigenen Unglück. Wir wählen nicht die Stürme, die uns das  Leben serviert, aber wir wählen unsere Reaktion.

Gleichzeitig empfinde ich meine Tätigkeit als schön und sinnvoll. Ich begleite Menschen ein kleines Stück des Weges und helfe ihnen damit, an ihr eigenes Ziel zu kommen. 

Nicht ich stehe im Mittelpunkt, sondern die Wünsche der anderen. In den kleinen Gesprächen geht es um Alltag, manchmal auch Sorgen und Freuden. 

Dazwischen ist dann  auch Zeit, in der Stille nachzudenken. Während ich auf den nächsten Gast warte, muss natürlich der Ladezustand des Elektroautos im Blick behalten werden. Seid bereit, denn ihr wisst nicht, wann der nächste Fahrgast kommt. 

Mein Leben ist reich an überraschenden Wendungen. 2020 dachte ich darüber nach, Priester zu werden. Gleichzeitig war  mir klar, dass mein Platz in Leipzig ist. Das Bistum hatte Interesse, wollte mich aber zur Ausbildung in den Westen schicken, um Kirche in den alten Bundesländern kennenzulernen. Jede Institution hat ihre festen Strukturen. Großen Institutionen fällt es schwer, individuelle Lösungen zu finden. Das verstehe ich.

So führte mich Gott nun an einen Ort in Leipzig, wo ich nun andere Menschen ein Stück auf ihrem Weg begleiten kann. Vielleicht hatte ich schlecht gehört und Gott wollte nicht, dass ich Pfarrer werde, sondern Fahrer. 

Meinem Blick auf Theologie, Kirche und Leipzig wird das gut tun. Rede über Gott ist anders, wenn sie nicht im Dienst kirchlicher Institutionen steht. Trotzdem bleibe ich den christlichen Konfessionen eng verbunden.

Danke allen, die wissend oder versehentlich beitrugen, diesen Weg zu entdecken. 

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Kommentare: 2
  • #1

    . (Freitag, 14 April 2023 23:45)

    Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.

  • #2

    Ernst-Ulrich (Montag, 18 Dezember 2023 12:36)

    Stimmt. Es wird alles gut. Und wenn es nicht in diesem Leben gut wird, dann bleibt die begründete Hoffnung, dass am Ende der Zeit das Leben stärker ist als der Tod.