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Ostergruß 2023

Mein Lieblingsmoment in der Geschichte

"Wunder ist, was absolut unmöglich erscheint, aber dennoch passiert"

Das Zitat stammt aus dem Science Fiction "Men in Black 3". Ein außerirdisches Wesen erzählt von einer unglaublichen Aufholjagdt. Der Baseballclub New York Mets steht lange Zeit kurz vor dem Aus und gewinnt dann überraschend den Cup. Ein historisches Wunder. 

Die fantastische Geschichte hat einen historischen Kern. Tatsächlich ist der Metropolitan Baseball Club of New York der überraschende Sieger der World Series 1969 gewesen. Dieser Sieg gilt als eine der größten Sensationen der Baseballhistorie. 

"Wunder ist, was absolut unmöglich erscheint, aber dennoch passiert"

Wie erstarrt blicke ich oft auf die Katastrophen in der Welt und im eigenen Leben. Ist die Rede von den  Wundern nicht reichlich naiv? Das Wunder ist nicht greifbar. Der Tod scheint sicher. 1988 wartete ich vergeblich auf ein Wunder. Mein Vater starb an Krebs. Das Wunder blieb aus.  2020 starb überraschend meine Frau. Kurz danach legte Corona das Land lahm. Und seit einem Jahr tobt in der ganzen Ukraine ein Krieg, der zuvor schon von mir unbeachtet Leid und Tod brachte. 

Deinen Tod, o Herr, verkünden wir!

Wie erstarrt blicken die Frauen und Männer, die Jesus folgten, auf das Ende ihrer Hoffnungen. Nein, so hatten sie sich das nicht vorgestellt. Der Einzug nach Jerusalem war doch so erfolgreich. Die Massen jubelten an Palmsonntag. Jesus hätte König werden können. Eine Woche später ist Jesus tot. Die kalte Logik von Macht und Gewalt hatte gewonnen. Scheinbar...

1987 stand ich an der innerdeutschen Grenze. Fremd und weit weg schien das Land hinter dem Stacheldraht. Heute lebe ich in Leipzig. Ich erlebte diese Jahrzehnte als Wunder. Ich erlebte das Aufblühen dieser Stadt und der Seen im Süden als Wunder. Und ich erlebte die Zerbrechlichkeit dieses Paradieses. Inzwischen kenne ich die Probleme und Brüche dieser Stadt. Leid und Not leben auch in dieser Stadt. Es gibt neben Freude auch viel Verzweiflung und Tränen. Der Tod scheint mächtiger als das Leben. 

Manche möchten Ostern nicht mehr feiern. Der Karfreitag lähmt so stark, dass es unmöglich erscheint, neue Hoffnung zu sehen. 

Manche bleiben beim Tod stehen. Andere ignorieren den Tod und feiern nur noch Ostern. Und doch gehört beides zusammen; der Tod und das Leben. 

Wir gehen weiter. Wir nehmen die Erinnerung mit. Wir lassen neue Erfahrungen zu. Wir lassen los, was uns belastet. Manchmal müssen wir auch Menschen loslassen, die noch leben. Wir begleiten diese Menschen ein Stück des Weges. Nun endet die Aufgabe. Auch das ist oft schmerzhaft. Loslassen ist immer schwer. Und doch wissen wir, dass wir am Ende auch unser eigenes Leben wieder loslassen müssen, dass wir einst geschenkt bekamen. Wohin? Ins Nichts? Oder kommt da doch noch was? Ostern erzählt auch von unserer eigenen Hoffnung auf Zukunft über den Tod hinaus. 

Deine Auferstehung preisen wir

Die verschiedenen Erzählungen von Begegnungen mit Jesus versuchen ein Wunder einzufangen. Besonders schön ist die Geschichte von den zwei frustrierten Jüngern, die unterwegs Jesus begegnen, ihn aber nicht erkennen. 

Den Jüngern wird bewusst, dass Jesus da war, als der Fremde das Brot bricht. Es ist wie ein Erkennungszeichen. Und gleichzeitig entzieht sich genau in dem Moment die Person. 

Berühre mich nicht! Erfahrungen sind zerbrechlich. Wie die Flügel eines Schmetterlings.

 

Die Frauen am Grab finden im Gärtner die Spur Jesu. Noli me tangere! Berühre mich nicht, soll er gesagt haben. Die Spuren der Menschen, die uns verlassen haben, sind real, aber flüchtig. Nicht wiederholbar. Wie die ersten Begegnungen mit einem Menschen, den man festhalten möchte und doch immer neu freigibt. In schüchterner Liebe. In einem Garten, am Alten Kranen in Würzburg, am Ufer der Donau in Regensburg,  

 

Drei Monate nach ihrem Tod träume ich von meiner Frau. Im Wohnzimmer sitzt sie.  Wie immer. Und es ist mir im Traum bewusst, dass sie an jenem 7. Januar 2020 abends gestorben ist. Ich an ihrem Bett. Und dazu ein Abschiedslied von Grönemeyer. Kann kaum noch glauben. Gefühle haben sich gedreht.

Nun also, Wochen später, sitzt sie da am Ort, den wir uns aufgebaut hatten. Wo uns wohl ist. Eine flüchtige Erscheinung. Begegnung. Berührung. Ewigkeit trifft Zeit.

 

Wir küssten uns sanft. Ich erwache. Ihr Geruch im Raum. Der Kuss spürbar.

 

Ich stehe auf. Gehe zum Wohnzimmer. Der Platz leer. Logisch. Ich trete auf den Balkon. Ein warmer Frühlingsmorgen im Jahr der Epidemie, die alles zum  Stehen brachte. Wie in einem Kokon. Die Korona der Sonne strahlt am wolkenlosen Himmel. Ein Schmetterling schwebt ins ewige Blau. 

"Wunder ist, was absolut unmöglich erscheint, aber dennoch passiert"

Es ist nicht leicht, von Erfahrungen zu sprechen. Zu leicht spielt uns die Fantasie einen Streich. Gerade deshalb ist es wichtig, die harte Realität nicht zu ignorieren. Das Wunder von Ostern erklärt nicht den Tod. Meine Erfahrung von verschwundenen Mauern in Europa mindern nicht das Leid der Menschen in der Ukraine. Die Spuren von Martina in Leipzig bringen nicht meine Frau zurück. Und doch sammle ich diese Spuren als Hoffnungszeichen einer Liebe, die stärker ist als der Tod. 

Paulus litt wohl an einer chronischen Erkrankung. Er wusste also von der Zerbrechlichkeit seines Lebens. Trotzdem vertraute er darauf, dass im Ringen von Tod und Leben der Sieger schon feststeht: der Tod hat seinen Schrecken verloren. Das letzte Wort hat das Leben. 

Ostern ist der Spalt in der Tür. Es erscheint sinnlos, mitten im Tod Spuren des Lebens zu finden. Wir suchen im scheinbar leblosen Universum nach Spuren des Lebens, weil wir selbst das Wunder des Lebens genießen. Ich suche und finde die Spuren des Lebens.

Diese Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach, ist mein Lieblingsmoment in der Geschichte der Menschheit. Frohe Ostern!

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