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Pfingsten 2023

Den Mächtigen die Sprache nehmen

50 Tage Trauer und Unsicherheit. Jesus wurde von den Römern ermordet. Die Kreuzigung war römisches Machtinstrument, um den eigenen Willen durchzusetzen. Der römische Frieden bedeutet vielfach Sklaverei und Unterdrückung. Latein ist die Sprache der Mächtigen. 

50 Tage Hoffnung trotz Trauer. Irgendetwas ist anders in diesem Trauerprozess. Frauen am Grab berichten von Begegnungen mit Jesus. Die männlichen Jünger verstehen die Sprache der Frauen zuerst nicht. Manche Männer haben bis heute nicht gelernt, die Erfahrungen von Frauen in der Kirche zuzulassen. Es gibt viele Weisen, sich der Sprache anderer Menschen zu verschließen.  

Am Rande des römischen Imperiums treffen sich Römer, Araber, Kreter und viele Menschen aus anderen Gebieten. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen. Und sie verstehen sich trotzdem. 

Israel ist ein besetztes Land. Die Präsenz der Macht Roms ist greifbar. Im Untergrund bildet sich eine bewaffnete Gruppe, die Israel befreien will. 

Mancher, der Jesus bis nach Jerusalem gefolgt war, hoffte auf konkrete militärische Hilfe durch den Messias. Noch am Kreuz wird Jesus als König der Juden bezeichnet. 

Doch der Weg Jesu ist eine Enttäuschung für jene, die auf Gewalt mit Gewalt reagieren wollen. Im Krieg gibt es keinen Gewinner, nur Verlierer. 

Historisch setzten sich jene durch, die Rom mit Gewalt vertreiben wollten. Das endete aber 70 nach Christus mit der Zerstörung des Tempels und der Vertreibung der Bevölkerung. 

Die Römer hatten gesiegt? 

Kurzfristig stimmt das. Langfristig hatte die damalige Gewalt Spuren hinterlassen, die bis in die Gegenwart reichen. Das Imperium liegt in Trümmern. Die Nachfahren der Vertriebenen sind wieder da.

Seit Jahrtausenden setzen sich Menschen mit Gewalt durch. Seit Jahrtausenden scheint es logisch und unausweichlich, auf Gewalt mit Ausgrenzung und Gewalt zu reagieren. 

Die Faszination des Christentums ist eigentlich, dass der Gründer als Gottes Sohn bekannt wird, obwohl er auf jede Form der Gewalt und Macht verzichtete. Dem die Erde gehört, lässt sich von der Erde verdrängen. 

Seltsam. Immer wieder beriefen sich Menschen auf Jesu Worte, um eigenes gewalttätiges Handeln zu begründen. Immer wieder beanspruchen ganze Nationen christlich zu sein. 

Konstantins Sieg wurde mit einer Vision begründet: In diesem  Zeichen wirst Du siegen! Wirklich? 

Wenn wir Jesu Handeln ernst nehmen und in seinem Handeln Gottes Handschrift sehen, dann besteht der Sieg darin, auf der Seite dessen zu stehen, der ohnmächtig Opfer des Machtanspruchs anderer wird. 

Pfingsten ist Gründungstag der Kirche. Die Jünger Jesu verschließen nicht mehr die Tür aus Angst vor den Mächtigen, sondern sie gehen nach draußen und riskieren ihr Leben mit Worten in allen Sprachen. 

Am Ende wird ausgerechnet die Sprache des Unterdrückers zur Sprache des Unterdrückten: Latein wird im Westen Kirchensprache. 

Beim Turmbau von Babel versuchen Menschen Einheit dadurch zu erreichen, dass alle nur noch ene Sprache sprechen. Das ist das Konzept von vielen Nationalstaaten. Das war viel zu lange auch das Konzept der katholischen Kirche. 

An Pfingsten begegnen sich Menschen verschiedener Kulturen und Sprachen und versammeln sich in einer gemeinsamen Hoffnung, die über diese Welt hinausgeht. 

Sprache ist mehr als Worte. In Sprachen drücken sich Geschichten, Erfahrungen und Sehnsüchte aus. Sprachen abzulehnen und zu verdrängen bedeutet die Geschichte von Menschen zu verdrängen. Manchmal ertragen wir die Worte einer Sprache nicht, weil die Sprache zum Instrument der Macht wurde. Manche konnten nach der Diktatur unter Hitler nie wieder die deutsche Sprache hören. 

Das ist verständlich, aber stärkt die Macht der Unterdrücker. Sprache gehört nicht den Mächtigen. Sprache gehört den Kindern, die Angst haben und den Müttern, die mit Sprache ihr Kind trösten, wenn es Angst hat. Sprache gehört den Liebenden und den Weinenden. Sprache gehört dem Ohnmächtigen. Religiöse Sprache gehört dem Leidenden im Bombenkeller, nicht dem Mächtigen im Palast.  Nehmt den Mächtigen die Sprache! Jede Sprache! Lasst nicht zu, dass Jesu Worte von Mächtigen genutzt werden, um ihre eigenen Pläne zu rechtfertigen!

 

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