Gedanken zum 14. Sonntag im Jahreskreis (Mt 11/Sach 9 )
Manchmal haben wir scheinbar alles im Griff und kontrollieren, was passiert. Aber das ist eine Illusion.
Manchmal müssen wir jede Kontrolle aus der Hand geben. Eigentlich kennen wir das. Als Baby waren wir darauf angewiesen, dass andere uns versorgten. Unsere Macht lag allenfalls im Schreien. Andere mussten dann deuten, ob wir Schmerzen, Hunger, Durst oder Langeweile haben.
Als Senioren sind wir auch wieder auf andere angewiesen. Wir verlieren die Kraft, unseren Alltag selbst zu bestimmen.
Manche erleben mitten im Alltag, dass der eigene Körper bestimmt, wie der Weg weitergeht.
Wenn die Nieren versagen, wird plötzlich jede Bewegung zu viel. Der Blutdruck steigt, Wasser sammelt sich im Gewebe, das Blut schafft wegen reduziertem Hämoglobin den notwendigen Transport von Sauerstoff nicht mehr ausreichend.
Manchmal glauben wir, die Welt verändern zu können. Manchmal liegen wir einfach nur da und schaffen es nicht einmal, aufzustehen.
Die Geschichte wird von den Menschen und Völkern erzählt, die glauben, sie hätten die Welt geprägt.
Wir unterschätzen den Beitrag jener, die froh sind, wenn sie den eigenen Körper ab und zu kontrollieren.
Die Menschen sehen auf äußere Zeichen von Macht, Einfluss und Weisheit. Natürlich brauchen wir Menschen, die kluge Dinge sagen und neue Ideen entwickeln, um Menschen neu zu ermächtigen. Die Dialysemaschine ist das Ergebnis von Forschung kluger Menschen. Doch es gibt eine seelische Ebene, die nicht wissenschaftlich greifbar ist.
Auf der Suche nach Mitte und Ziel unseres Weges ist es gut, nicht bei den Klugen und Weisen zu suchen, sondern bei den Kleinen und Ohnmächtigen.
Gott begegnet im Stall, nicht im Palast.
Im Matthäusevangelium reagiert Jesus mit einem überraschendem Dankgebet auf eine Reihe frustrierender Erfahrungen. Jesus hatte sich um einige Städte sehr bemüht, aber das Ergebnis war ernüchternd. Jesus legt das Schicksal der Städte in Gottes Hand. Dann aber preist er Gott:
"Mein Vater, Herr über Himmel und Erde! Ich preise dich, dass du die Wahrheit über dein Reich vor den Klugen und Gebildeten verborgen und sie den Unwissenden enthüllt hast." [Mt 11,25]
Wir lernen gerade durch Enttäuschungen viel über uns selbst und über Gott.
Jesus stellt sich an die Seite der Mühseligen und Beladenen, heißt es oft in Predigten.
Die Christen sollen in den Armen Christus sehen.
Ich denke, das ist zu wenig.
Das Wissen um die eigene Schwäche und Ohnmacht in vielen Situation ist die Basis für die Zuwendung zum Du und zum glaubwürdigen Sprechen über Gott.
Wir sind dort am Weg zu unserem eigentlichen Ziel, wo wir selbst schwach sind und deshalb anderen in ihrer Schwachheit nahe sind.
Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, sagt Paulus, der selbst von seiner Schwachheit schreibt. Jesus selbst ist der leidende Gottesknecht. Seine eigene Schwachheit und Ohnmacht beglaubigt am Ende seine Göttlichkeit [ Mk 15,39].
Das ist kein Aufruf, Leid und Schmerzen aktiv zu suchen. Jesus selbst war ja Gast auf einer Hochzeit und sorgte für den Wein. Seine fröhlichen Jünger verteidigte er gegen die verbissene Kritik der Gegner:
Natürlich fasten die Gäste nicht, wenn der Bräutigam da ist. Natürlich sind die Jünger fröhlich und genießen den Augenblick. [Mk 2,19]
Jesus kritisiert aber auch nicht Johannes, der in der Wüste lebt. Er selbst aber steht mitten im Leben und wendet sich anderen zu.
Diese Zuwendung aber geschieht als Ohnmächtiger am Rande des römischen Imperiums ohne äußere Zeichen der Macht. Sein Wirken verändert das Leben der Menschen in seiner Nähe, aber die verändernde Dynamik seines Vorbildes entfaltet sich erst nach seinem Tod.
Dem Weg Jesu Ohnmacht nachfolgen bedeutet, die eigene Ohnmacht zu ertragen und die kleinen Dinge zu tun, die uns möglich sind.
Den Weg der Ohnmacht gehen bedeutet, sich gegenseitig helfen mit den Möglichkeiten, die uns bleiben.
Wir wissen nicht, welche Wirkung unser Wort und unser Tun gerade auf diesem Weg entfaltet.
Nehmt mein Joch auf Euch und lernt von mir!
In vielen Teilen der Welt finden wir dieses Hilfsmittel noch in den Dörfern. Viele Frauen tragen Wasser von den Brunnen in das Haus. Das Joch ermöglicht, die Eimer so am Rücken zu tragen, dass die Last erträglicher wird.
Ein Joch nimmt die Last nicht ab, aber es verteilt die Last neu. Das Joch drückt nicht zu Boden, sondern ermöglicht den aufrechten Gang. Auch wenn wir eine Situation nicht kontrollieren können, bleibt uns die Möglichkeit, machtvoll auf eine Situation zu reagieren.
Diese Empfehlung ist eine Einladung, auf die eigene Ohnmacht so zu reagieren wie Jesus. Mit festem Blick auf die Ewigkeit gerichtet den Alltag im Rahmen unserer Möglichkeiten gestalten, weil wir bereits wissen, dass Leid und Tod nur Geburtswehen des eigentlichen Lebens sind.
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