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Von den zerbrechlichen Gefäßen

In der Vielfalt des Lebens gibt es viele Entscheidungen zu treffen. Manchmal müssen wir auch ungewöhnliche Wege gehen, um ein Ziel zu erreichen. Wir kaufen einen scheinbar wertlosen Acker, weil dort ein Schatz vergraben ist, von dem wir erfahren haben. Wir verkaufen alles, um uns eine besonders wertvolle Perle leisten zu können. Wir verlassen die Stadt der Kindheit und Jugend, weil uns eine neue Sehnsucht in die Ferne führt. 

Wer darf eigentlich rechts und links von Jesus sitzen? Das würde gerne die stolze Mutter der Gebrüder Zebedäus wissen. Sie ahnt, dass dieser Mann aus Galiläa in der Zukunft wichtig sein könnte. Da schadet es nicht, die Karriere abzusichern. 

Bei Jesus sein bedeutet beim Sieger der Geschichte zu sein. 

Leider haben sich manche Christen in den letzten zwei Jahrtausenden tatsächlich so benommen. Sie sehen auf den Glauben oder Unglauben der anderen hinab und zeigen nach außen, wie christlich sie selbst sind. Da wird dann mit Fingern auf andere gezeigt, wenn diese am Tempelberg das Kreuz abnehmen. Da wird dann das Kreuz in Klassenzimmern und Gerichten aufgehängt, um zu betonen, wie christlich die eigene Leitkultur ist. Da wird dann ein Angriffskrieg mit christlichen Zitaten begründet. 

Die Gefäße, die von den Quellen des Lebens erzählen, sind zerbrechlich. Strukturen vergehen, Städte gehen in den Fluten des Meeres  unter, Staaten und Gemeinschaften lösen sich auf. 

Der Mensch selbst ist ein zerbrechliches Gefäß. Moderne Medizin hilft oft, das Zerbrechen noch viele Jahrzehnte zu verschieben. Zusätzlich geschenkte Zeit, die zum bewussten Leben einlädt. 

 

Auch Institutionen sind zerbrechlich. Die katholische Kirche spürt das gerade besonders schmerzhaft. Kann Kirche noch Menschen stärken und ermutigen, wenn ihre Amtsträger lieber die Institution schützten als die Ohnmächtigen? 

Vielleicht hilft ein Blick auf Paulus. Der Völkerapostel berichtet von seiner Ohnmacht. Er war oft im Gefängnis, erfuhr Gewalt und auch sein eigener Körper machte ihm Schwierigkeiten. 

Doch Paulus erkannte, dass gerade seine Ohnmacht Teil seiner Glaubwürdigkeit ist. 

„Gott hat zu mir gesagt: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Kor 12,9).

Am Eingang der Krypta vom Dom in Paderborn steht Liborius. Viel ist über ihn historisch nicht bekannt. Er war  Bischof. Die Figur von ihm lässt das nicht erahnen. Da steht er mit weißem Hemd und schwarzer Hose. Auf dem aufgeschlagenen Buch sind drei Nierensteine. Sie sind unrealistisch groß. Liborius wurde bei Nierenleiden um Hilfe angerufen. 

Der Bischof von Le Mans lebte im 4. oder 5. Jahrhundert. Nach der Gewährung der Religionsfreiheit durch Kaiser Konstantin waren Bischöfe Teil einer staatlich geförderten Religion. In den folgenden Jahrhunderten wuchsen Macht und Einfluß. Doch die Glaubwürdigkeit begann zu bröckeln. 

Die wachsende Ohnmacht der Kirche ist ein Geschenk. Es reicht nicht, Diakone, Priester und Bischöfe als Diener zu bezeichnen. Überzeugend ihr ihr Dienst nur, wenn die eigene Ohnmacht spürbar und erlebbar ist. 

Dietrich Bonhoeffer schrieb im Gefängnis 


„Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt, und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns.“

Die bewusste Annahme und Gestaltung der eigenen Ohnmacht verändert das Beziehungsgefüge. 

Der scheinbar wertlose Acker, der ohnmächtige Mensch, die machtlose Kirche - sie sind der Schlüssel zum Gott, der hinter den Rätseln der Welt wartet. 

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