Im katholischen Ideal wachsen wir da auf, wo jene leben, die Samenzelle und Eizelle im Geschlechtsakt zusammenführten. In der Realität gab es schon immer Gründe, warum das so nicht funktionierte.
Ein Mann aus einer levitischen Familie ging hin und nahm eine Frau aus dem gleichen Stamm. Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Weil sie sah, dass es ein schönes Kind war, verbarg sie es drei Monate lang. Als sie es nicht mehr verborgen halten konnte, nahm sie ein Binsenkästchen, dichtete es mit Pech und Teer ab, legte den Knaben hinein und setzte ihn am Nilufer im Schilf aus. Seine Schwester blieb in der Nähe stehen, um zu sehen, was passieren würde. (Ex 2, 2 - 4)
Die Geschichte von Moses ist am Beginn die Geschichte einer Frau, die aus berechtigter Angst um ihr Kind das Kind aussetzt. Es gab aus ihrer Perspektive keine Alternative. Der Pharao bedrohte alle männlichen Kinder ihres Stammes mit dem Tod.
Auch wenn das Kind bei dem Paar aufwächst, aus dessen Verbindung es entstand, kommt irgendwann der Tag des Abschieds.
Am Weg zur Selbständigkeit zählen die Menschen, die ohne Vorbehalt Liebe geschenkt haben. Es ist schön, wenn das die leiblichen Eltern konnten. Aber manchmal braucht es Menschen wie die Tochter des Pharao, um neue Wurzeln zu schenken:
Die Tochter des Pharao kam herab, um im Nil zu baden. Ihre Dienerinnen gingen unterdessen am Nilufer auf und ab. Auf einmal sah sie im Schilf das Kästchen und ließ es durch ihre Magd holen. Als sie es öffnete und hineinsah, lag ein weinendes Kind darin. Sie bekam Mitleid mit ihm und sie sagte: Das ist ein Hebräerkind. (Ex 2, 5 - 6)
Die weitere Geschichte erzählt von einer offenen Adoption. Die leibliche Mutter wird gerufen, um das Baby zu stillen. Doch Mose wird von der Tochter des Pharao adoptiert. Diese Adoption sichert ihm das Leben.
Jesus, der nach Bibel und Tradition seine Existenz einer Singularität verdankt, wuchs bei Maria auf. Joseph war nicht der leibliche Vater. Deshalb hatte er selbst zuerst einmal den Impuls, sich in Stille zu trennen. Und doch erlebte Jesus hier Schutz und Geborgenheit. Die Szene des 12jährigen im Tempel zeigt aber dann, dass Jesus bewusst war, dass er noch eine andere Wurzel hatte:
Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? (Lk 2,49)
Drei Tage hatten seine Eltern ihn mit Schmerzen gesucht. Doch Jesus hatte bereits begonnen, seinen eigenen Weg zu gehen.
Das war gewiss schmerzhaft. Aber zumindest begegnet hier ein Heranwachsender mit klarem Ziel. Es gibt andere Jugendlichen, die zwar spüren, dass sie an einen anderen Ort müssen, aber innerlich dabei zerrissen sind. Bei Adoptivkindern begegnet dieser Zwiespalt oftmals besonders intensiv. Man lebt - hoffentlich - in der Geborgenheit einer Adoptivfamilie, spürt aber die Wunde der abgetrennten Wurzel. Nicht immer kann diese Wunde in einer offenen Adoption gemindert werden. Besonders wenn das Sorgerecht nicht bewusst abgegeben wurde, sondern aus unterschiedlichen Gründen entzogen werden musste.
Die Ehe markiert in katholischem Verständnis den Beginn eines Weges. In geschütztem Rahmen soll das Kind gezeugt, geboren und in die Welt hineingeführt werden. Das Bild ist nur dann heilsam, wenn alle Zwischenschritte von Liebe begleitet werden. Nun sind wir aber Menschen. Wir sind nicht immer liebevoll.
"Es ist nicht leicht, in den Himmel zu steigen, wenn die Füße schmerzen.", sagte einst eine Freundin im Studium. Es ist manchmal aus Liebe nötig, andere Wege zu gehen, erzählt die Geschichte der leiblichen Mutter von Moses.