Leipzig, 13. Januar 2016

BETTINA KUDLA (MDB) IM LEIPZIGER TWITTERGEWITTER

"Rechte Randale in #Leipzig abscheulich. Das muss konsequent ermittelt und die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. #le1101" Das ist jetzt kein gutes Deutsch, aber darauf kommt es bei Twitter nicht an. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte hier getwittert. Die Antwort kam von Bettina Kudla, Bundestagsabgeordnete der CDU in Leipzig: "Bitte objektiv sein! Es sind die #Linksradikalen! 69 verletzte #Polizisten u 8 ausgebrannte Kfz d #Zolls im Dezember" . Mehr Getwitter folgte.

 

Am 11. Januar hatte ein breites Bündnis zur Lichterkette eingeladen: Gewerkschaft, Kirchen, Hochschulen und alle Parteien. Alle? Nein! Die CDU hatte abgelehnt, teilzunehmen. Die ganze CDU? Nein!

Justizminister Sebastian Gemkow, Bürgermeister Torsten Bonew und Prof. Dr. Sabine von Schorlemer nahmen an der Lichterkette teil. Drei CDU-Politiker. Insgesamt aber hat sich die CDU in Leipzig gegen eine Teilnahme ausgesprochen. Nun gibt es ja so schon Spannungen im Verhältnis der Parteien, besonders in Leipzig.  Aber es gab auch einen Sachgrund für die Ablehnung der Teilnahme - wenngleich dieser nicht so erfolgreich von der CDU kommuniziert wurde: die Ziele der Veranstalter passten leider teilweise wirklich nicht so ganz zum Parteiprogramm der CDU. Beispiel: "offene Grenzen" - es mag ja für viele ärgerlich sein, dass die CDU dies ablehnt, aber es ist doch bekannt. Bereits bei der Pressekonferenz zur Lichterkette am Mittwoch deutete sich bei der Auflistung der Mitveranstalter an, dass die CDU als Partei fehlen wird. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) unterstrich, dass es um ein Zeichen der Verbundenheit über Parteigrenzen hinweg gehe. Meine Anfrage, ob denn auch die CDU teilnimmt, brachte aber das erwartbare Ergebnis. Bettina Kudla war am schnellsten. Sie beantwortete meine Presseanfrage und schickte kurz danach eine Pressemitteilung.

Drei Fragen und drei Antworten

Haben die Veranstalter bei Ihnen angefragt, ob Sie teilnehmen möchten?

"Eine Anfrage, ob wir uns an den inhaltlichen Zielen einer geplanten Lichterkette beteiligen wollen, erfolgte nicht. Wir haben den Aufruf zur Beteiligung an der Lichterkette über den Landtagsabgeordneten Holger Mann und Pfarrer Christian Wolff erhalten. Die Aufforderung von Holger Mann ging lapidar an die Kontaktadresse der Leipziger CDU."

Wie stehen Sie zu den Zielen der Lichterkette, wie ich Sie oben angedeutet habe?

Ich lehne die Ziele der Lichterkette weitgehend ab, da sie die Bemühungen der Bundespolitik um eine Reduzierung und Eingrenzung der Asylbewerberzahlen torpediert. Weltoffenheit und Rechtsstaatlichkeit sind für mich selbstverständlich. Insbesondere die Forderung des Europas der offenen Grenzen ist kontraproduktiv. Ursache der aktuellen Asylsituation ist, dass die EU-Außengrenzen nicht mehr geschützt werden. Der Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) treibt mit Nachdruck den Ausbau einer europäischen Grenzschutzagentur voran. Die lapidare Betonung des Grundrechts auf Asyl suggeriert in diesem Zusammenhang den Willen zu einer unbeschränkten Aufnahme von Menschen. Ich darf darauf hinweisen, dass die SPD das Asylpaket II, ein Gesetzentwurf, der in Berlin vorliegt, torpediert. Dieser Gesetzentwurf sah die Einrichtung von Transitzonen und die Aussetzung des Familiennachzugs von 2 Jahren vor. Bisher haben sich nur die Parteivorsitzenden über die Inhalte des Asylpaketes II verständigt, nicht jedoch die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU.

Wie könnte ein gemeinsames Zeichen "über Parteigrenzen hinweg" für gemeinsame demokratische Grundwerte aussehen, dass Sie mittragen könnten?

Von parteiübergreifenden Aufrufen halte ich nichts, da sie die Unterschiede zwischen den Parteien und auch die Verantwortlichkeiten vermengen. Ich halte die Beteiligung der SPD in Leipzig für scheinheilig. Die SPD hat die Extremismusklausel bei Vereinen auf Landesebene im Rahmen der Koalitionsverhandlungen gestrichen. Die SPD setzt sich nicht mit den Vorfällen des Extremismus insbesondere im Leipziger Süden (vor kurzem 69 verletzte Polizisten) und im Leipziger Norden (8 abgebrannte Autos des Zolls) auseinander. Ich halte auch nichts davon, wenn politische Amts- und Funktionsträger im Rahmen von Demonstrationen auf der Straße ihren politischen Willen bekunden. Dies lenkt davon ab, dass Amts- und Funktionsträger im Rahmen ihres Amtes ihre Verantwortung wahrnehmen müssen.
Häufig entziehen sich Amtsträger hier der Verantwortung und lenken mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen von den eigentlichen Ursachen ab.

Bettina Kudla hatte in ihrer Antwort erklärt, dass sie gerne für Nachfragen zur Verfügung steht. Diese gab es, diesmal in fünf Fragen:

Wie schätzen Sie die Bewegung Legida nun nach einem Jahr ein?

Grundsätzlich finde ich es gut, wenn Bürger sich politisch äußern. Eine Demonstration kann dabei auch ein wirksames Mittel sein. Allerdings werden Probleme nicht mittels wöchentlicher Demonstrationen auf der Straße gelöst, sondern durch politische Entscheidungen der jeweiligen Regierungen bzw. der Parlamente. LEGIDA fiel mir bisher weniger durch konkrete politische Forderungen auf, sondern eher durch die hohe Medienöffentlichkeit, durch Gegendemonstranten und durch Polizeiaufgebot. Ich denke bei LEGIDA vor allem an die Geschäfte und Lokale in der Leipziger Innenstadt, deren Kunden wegen Verkehrsbehinderungen und der Befürchtung von Ausschreitungen am Montag wegbleiben. Insofern rufe ich alle, die ernsthaft an der Lösung von Problemen interessiert sind, dazu auf, sich an den vorhandenen politischen Diskussionsforen zu beteiligen.

Welche der Ziele von Legida finden Sie richtig und diskussionswürdig?

Für mich haben in erster Linie die Entscheidungen in Berlin die höchste Aufmerksamkeit, LEGIDA ist für mich ein Randthema – mit den genauen Zielen von LEGIDA bin ich überfragt. Sorge vor Überfremdung oder die Angst vor Überforderung der Gesellschaft durch eine zu hohe Anzahl von Zuwanderern nehme ich ernst und setzte mich für entsprechende Gesetzesvorhaben ein.  Gleiches gilt für die Umsetzung des CDU-Bundesparteitagsbeschlusses, mit dem die CDU die Zahl der Asylbewerber begrenzen und reduzieren will. Entschieden abzulehnen ist jedoch eine Organisation, die nur Ängste und Unruhe schürt und nicht an einer wirklichen Problemlösung interessiert ist.

Inwieweit hat die Extremismusklausel mit den Vorgängen am 12. Dezember
2015 im Leipziger Süden zu tun?

Mit der Extremismusklausel mussten Vereine, die eine öffentliche Förderung erhalten, sich ausdrücklich per Unterschrift dazu bekennen, dass sie keine radikalen Aktivitäten unterstützen. Auf Betreiben der SPD wurde diese Klausel auf der Ebene des Freistaates abgeschafft. Die Abschaffung ist ein Signal, dass man es mit dem Extremismus nicht so genau nimmt. Zahlreiche gewalttätige Vorfälle gegen Polizisten – kürzlich 69 verletzte Polizisten und 8 ausgebrannte Fahrzeuge des Zolls- und gegen das Eigentum Anderer sind die Bilanz - ein verheerendes Signal!

Sind Ihnen die Ansprachen des Leipziger OBM Burkhard Jung zu den Themen Legida / Linksextermismus sowie zur Sicherheitslage (Polizeistärken usw.) in Leipzig (beide öffentlich im Stadtrat vorgetragen) aus dem Jahr 2015 bekannt?

Ich verfolge aufmerksam die öffentlichen Äußerungen von OBM Jung – die konkrete schriftliche Antwort der Stadtverwaltung vom Dezember auf meine öffentliche Kritik an dieser Förderpraxis haben mir aber gezeigt, dass die Stadtverwaltung sich nicht ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen möchte – im Gegenteil, durch die Demonstrationen gegen LEGIDA nimmt die SPD ihre Verantwortung nicht an der Stelle wahr, wo es geboten wäre.

Wie würden Sie diese Wortmeldungen vor dem Hintergrund der vorgeblichen nicht stattfindenden Befassung der Leipziger SPD mit dem Thema Linksextremismus in Leipzig einordnen?

Die nach den Krawallen vom 12.Dezember 2015 in Leipzig geäußerte Fassungslosigkeit von OBM Jung entbehrt einer gewissen Glaubwürdigkeit. Ein Blick in die regelmäßigen Berichte des sächsischen Verfassungsschutzes hätten ihm frühzeitig Anlass zur Sorge geben müssen – die Berichte waren OBM Jung seit Jahren bekannt.

Kudla twittert

Soweit der schriftliche Dialog vor der Lichterkette. Am Abend der Lichterkette, die selbst friedlich blieb, kam es zum Zug von 200 Rechtsradikalen nach Connewitz.

Justizminister Heiko Maas hatte getwittert, es sei abscheulich, dass Rechte randaliert hatten. Das wollte Kudla nicht unkommentiert lassen. Sie fordert dazu auf, objektiv zu sein. Dann schreibt sie von Linksradikalen und schlägt einen Bogen zu den Ereignissen vom 12. Dezember. Ihre Äußerung stösst auf Kritik, wohl vor allem, weil im kurzen Tweet die Randalierer vom 11. Januar keine Erwähnung fanden. Es fehlte sozusagen die Distanzierung. Der Landesvorsitzende der Grünen Jürgen Kasek legt ihr daher sogar nahe, zurückzutreten. Was aber wollte sie mitteilen? Vielleicht wird es ja verständlicher, wenn mehr als 140 Zeichen erlaubt sind. Also gab es erneut eine Anfrage mit Antwort, die hier dokumentiert wird:

Sehr geehrte Frau Kudla,
soeben wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass Sie bei Twitter heute folgenden Satz geschrieben haben:
"Bitte objektiv sein! Es sind die #Linksradikalen! 69 verletzte #Polizisten u 8 ausgebrannte Kfz d #Zolls im Dezember"

Damit reagierten Sie auf den Tweet von Justizminister Maas:
Rechte Randale in #Leipzig abscheulich. Das muss konsequent ermittelt und die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. #le1101
 Könnten Sie bitte näher erläutern, warum es ihnen wichtig war, diese Notiz zu posten?
Der sich immer wiederholende Prozess von Demonstrationen und Gegendemonstrationen in Leipzig löst keine politischen Probleme, sondern er ist zu mittlerweile zu einer nicht mehr hinnehmbaren Belastung für die Gewerbetreibenden in der Innenstadt, die Polizeikräfte und die Bürger Leipzigs geworden.
Leipzig hat vor allem ein Problem mit Linksextremismus und autonomen Gewalttätern: hier zu nennen sind die gewalttätigen Ausschreitungen in der Leipziger Südvorstadt und in Connewitz am 12. Dezember 2015 mit 69 verletzten Polizisten oder der Brandanschlag auf den Leipziger Zoll in der Nacht vom 31.12.2015. Die SPD-geführte Stadtverwaltung verweigert sich einer ernsthaften Auseinandersetzung mit diesem Thema. Die Aktion „Leipzig bleibt helle“ hat das Thema „Linksextremismus“ ebenfalls bewusst ausgeblendet.
Grund für meinen Tweet war die von mir wiederholt als sehr einseitige empfundene Reaktion des Bundesjustizministers, der sich im Fall von rechtsextremen Gewalttaten gern sehr bestürzt äußert, im Falle linksextremistisch motivierte Gewalt aber eher durch Zurückhaltung auffällt.
Eine Verharmlosung rechtsextremistischer Gewalttaten ist nicht meine Intention.

Der Bericht der Polizeidirektion Leipzig zu den gestrigen Vorkommnissen zeigt auch, dass es gestern sowohl von rechtsextremistischer als auch linksextremistischer Seite zu Gewalttaten kam:

 

„…. Bezüglich der Versammlungslage im innerstädtischen Bereich zieht die Polizeidirektion Leipzig ein positives Fazit. Gleichwohl verdeutlichen diverse verbale Provokationen einen hohen Aggressionsgrad,
weshalb der friedliche Verlauf wohl nicht zuletzt auf den hohen Kräfteeinsatz und umfangreiche Sperrmaßnahmen – mit entsprechenden Verkehrsbehinderungen einhergehend – zurückzuführen ist.
…….sächsische Polizeibeamte sowie Kräfte der Bundespolizei…
Im Leipzig Stadtteil Connewitz ..gegen 19:20 Uhr rotteten sich dort rund 200 Vermummte zusammen, liefen zeitweises geschlossen unter Mitführung eines Plakates mit der Aufschrift `“Leipzig bleibt helle“…..
Sie zündeten Pyrotechnik, versuchten Barrikaden zu errichten und begingen verschiedene Sachbeschädigungen.
…schwerer Landfriedensbruch, wobei die Gruppierung durch Einsatzkräfte kurze Zeit später fast vollständig festgesetzt werden konnte. Die 211 Personen waren zu einem nicht unerheblichen Teil bereits als „rechtsmotiviert“ und /oder „Gewalttäter Sport“ aktenkundig sowie aufgrund mitgeführter Utensilien dem Fußballfanklientel zuzuordnen. Ein seitens der Leipziger Verkehrsbetriebe zu Transport der vorläufig Festgenommenen zur Verfügung gestellte Bus wurde wiederum durch Täter des linksautonomen Spektrums angegriffen und erheblich beschädigt.
… Wohnungsbrand im Dachgeschoß eines Wohnhauses… Statistische Sicht… : 57 Straftaten nach dem Strafgesetzbuch, dem Versammlungs-,Waffen-, Sprengstoff- und Betäubungsmittelgesetz sowie fünf verletzte Polizeibeamte.“   (Quelle: Medieninformation der Polizeidirektion Leipzig vom 12.01.2016)
Es geht mir nicht darum, dies gegeneinander aufzuwägen. Daher mahnte ich eine ganzheitliche Betrachtung der extremistischen Szene in Leipzig an sowie endlich ein durchgreifendes Handeln der Stadtverwaltung.