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Bistum Dresden-Meißen wird 100 plus

Kleines Bistum mit Zukunft!

Liebes Bistum!

Verzeih, dass ich Dich einfach mit Du anrede. Bei meiner Liebeserklärung an Leipzig war ich etwas schüchterner. Respektvoll blickte ich auf die Geschichte und die Vielfalt der Meinungen, Lebensentwürfe und Menschen. Dass ich Dich kurzerhand duze, soll aber nicht respektlos wirken. Es ist nur so, dass ich Dich als meine geistige Familie sehe. Familie sucht man sich nicht aus. Man muss irgendwie sich arrangieren, im Idealfall lieben. Liebe beginnt für mich gerade da, wo man sich nicht versteht (Lk 6,32 - 35). Manchmal verstehen wir uns nicht, doch wir haben eine starke gemeinsame Basis im Glauben, der uns Halt und Hoffnung gibt. 

Tell me if, you want to see

A world outside your window

 


Die katholische Kirche ist ein Ozeanriese. Über eine Milliarde Menschen sind in ihr organisiert. Die einheitliche Struktur bedeutet nicht, dass es ein monolithischer Block wäre. Es gibt eine große Vielfalt an Gemeindeformen, individuellen Zugängen zum Glauben und Lebensentwürfen. Manchmal sind die Lebensgeschichten voller Widersprüche  dabei spannender als das idealisierte Bild ohne Makel. In Sachsen ist sie nur eine kleine Minderheit. Wiederholt habe ich schon geschrieben, dass für mich Kirche gerade hier mir besonders glaubwürdig und lebendig erscheint. Zugespitzt schrieb ich einst: Gott hat Köln und München verlassen und lebt jetzt zwischen Chemnitz, Dresden und Leipzig. Christen sind hier Mitspieler in einem Orchester. Es ist schön, dass die  Konfessionen in versöhnter Verschiedenheit vorleben, wie gegensätzliche Überzeugungen zusammenklingen können.  

Liebes Bistum!

Ich kam einst aus Regensburg. 1992: es hatte eine Weile gedauert, Dich zu entdecken. Ich stand an der Ruine der evangelischen Frauenkirche, die Hofkirche war verschlossen. Später habe ich Dich bei Einkehrtagen im Haus Hoheneichen als Festung bezeichnet. Doch ich gab nicht auf. Manchmal spüre ich in mir, dass ich bestimmte Wege gehen muss. Ich habe nie an geschlossenen Türen gerüttelt. An verschlossenen Grenzen blieb ich stehen. Doch ich blieb auch nicht lange an dunkler Schwelle stehen, wenn sich mir eine Tür öffnete.  

1987 stand ich mit meinen Eltern und Geschwistern an der Innerdeutschen Grenze nördlich von Hof. Mit Fernglas blickte ich auf Grenzanlagen und Wälder. In der Ferne erkannte ich ein Dorf. Hier war für mich die Welt zu Ende. Ich hatte keine Ahnung von den für mich unsichtbaren Prozessen in Leipzig und anderen Städten, die zum Fall der Mauer führten. 1990 fuhr ich dann das erste Mal über die Grenze. Die erste Stadt im Osten, die ich kennenlernte, war Plauen. Heute weiß ich, dass ich damit nicht nur das erste Mal in Sachsen, sondern auch erstmals im Bistum Dresden-Meißen war. 

Liebes Bistum!

1997 habe ich das erste Mal Dir geschrieben. Ich fragte nach einer klitzekleinen Stelle. Ich wurde gebeten, mich im Westen zu bewerben. Ich nehme Dir das nicht übel. Ich bin aus dem Regensburger Hafen den Umgang mit scheuen Katzen gewohnt. Mir war klar, dass Du viele schlechte Erfahrungen gemacht hast. Da möchte man nicht so gern fremden Theologen trauen.  Dem Vorschlag, im Westen zu bleiben, konnte ich leider nicht nachkommen. Mein erster Gehorsam gilt immer Gottes Stimme. Und die führte mich nach Leipzig. Hier bleibe ich und achte darauf, welche Türen sich öffnen und welche Stimmen mich rufen. (Joh 1.,1-10)

1921 wurde das Bistum Meißen mit Sitz in Bautzen neu gegründet. Meißen war ein altes Bistum- Der ersten Bischof von Meißen war ein Benediktiner aus dem Kloster St. Emmeram in Regensburg, meiner Geburtsstadt. Mit der Reformation ging das Bistum zunächst unter.  Die Kathedralkirche in Meißen wurde evangelisch. Das sorbische Gebiet um Bautzen blieb durch die Jahrhunderte katholisch geprägt. Die Besitzungen des alten Bistums existieren als evangelisches Hochstift Meißen bis heute. Der Dom selbst wurde zur Simultankirche, gemeinsam genutzt von evangelischen und katholischen Christen.  Der ökumenische Kirchenbau ist katholische Konkathedrale. 

Die Kathedrale ist die Hofkirche in Dresden. 

Um die polnische Königskrone zu bekommen, konvertierte 1697 August der Starke zum Katholizismus. Seine Untertanen waren beunruhigt. Deshalb förderte der König den Bau der evangelischen Frauenkirche. Katholische Gottesdienste feierte er eher unauffällig. Auch in Leipzig fand der erste offizielle katholische Gottesdienst nach der Reformation auf königlichem Grund in der Pleißenburg statt. Erst sein Sohn begann mit dem Bau der barocken Kirche in Dresden, die heute gemeinsam mit der Frauenkirche das Stadtbild prägt. 

Liebes Bistum!

Verzeih, wenn ich Dich mit einer Katze verglichen habe. Mir persönlich scheint der Vergleich passend. Es braucht viel Zeit und Geduld, diesen Fellnasen nahe zu kommen und man sollte sie auch wieder gehen lassen, wenn sie das wollen. Ich habe im Bistum in mehreren Institutionen gearbeitet: Bennoverlag, Elisabethkrankenhaus, auch als Religionslehrer und Dozent an der Hochschule für Musik und Theater und die letzten Jahre bei der Caritas.  Ich habe auch Deine evangelischen Geschwister kennengelernt. Vor allem die Michaeliskirche ist mir wichtig geworden. Ich freue mich, dass Du bei allem ausgeprägtem Wunsch, Deine eigene Fellfarbe zu bewahren, auch bereit bist, gemeinsame Wege mit anderen zu gehen, wo das möglich ist.  

Evangelische und katholische Christen wuchsen in der Zeit der DDR zusammen. In der Wende boten evangelische und katholische Gemeinden einen Freiraum für oppositionelle Gruppen. Nach 2015 engagierten sich viele Christen gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Gruppen für Geflüchtete. Christen sind in Sachsen heute in der Minderheit.  Gleichzeitig sind sie eine wichtige Stimme in der Gesellschaft. Dazu tragen auch konfessionelle Schulen, Krankenhäuser und die beiden Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie bei. 

Gemeinsam mit anderen Akteuren sind die Kirchen eine wichtige Stimme im Konzert: für die Jugend und alte Menschen, für Obdachlose, für Flüchtlinge. Gott wartet manchmal weit außerhalb der Institution. Und doch hat die Kirche eine wichtige Aufgabe als Botin einer Hoffnung, die stärker ist als der Tod. 

An der Grenze zu Polen und Tschechien hat Dresden-Meißen eine Brückenfunktion zu den Kirchen in den slawischen Ländern. Hier möchte ich besonders den Blick auf Zittau und das Kloster Marienthal richten. Es gibt vielfältige Verbindungen, die noch verstärkt werden können. In der Diaspora der Katholiken erzählt das Bistum des Heiligen Benno von unerwarteten Auferstehungen nach toten Punkten. In besonderer Weise erzählt davon die Propstei am Leipziger Ring. Angewiesen auf die enge Verbindung zu Christen anderer Konfessionen erzählt das Bistum zudem von gemeinsamen ökumenischen Projekten, durch die gemeinsames Handeln der Christen in den Städten und Dörfern glaubwürdig ausstrahlt. ( Joh 1.,1-10)

Viel Engagement findet auch außerhalb der verfassten Kirchen statt. Wer mit hörendem Herzen durch das Land fährt, entdeckt darin Gottes Spuren. Die Aufgabe der Christen im Land ist nicht, wieder zur Volkskirche zu werden. Die Aufgabe ist, Gottes Wirken zu entdecken und die Menschen zu unterstützen, die bewusst oder unbewusst nach seinem Willen handeln. Manchmal erwächst daraus Gottes Ruf in der Gemeinschaft der Katholiken mitzuwirken. Davon erzählen die erwachsenen Taufbewerber.  Es ist gut, über den eigenen Schatten zu springen und auf die Erinnerungen von Menschen zu hören. Zwischen den Zeilen spricht Gott.

Liebes Bistum!

Vielleicht wird in meinen Zeilen spürbar, dass ich gerne hier bin. Hier sind Freundschaften gewachsen, die mich tragen und weiterbringen. Hier heiratete ich und adoptierte ich. Hier wurde ich mit der Niere meiner Mutter beschenkt. Hier liebte ich und wurde geliebt. Hier hatte ich Angst und weinte ich. Hier übernahm ich Verantwortung für andere und musste loslassen. Hier liegt Martina begraben und auch ich werde hier meinen Körper ablegen. Es sind Erfahrungen, die uns mit Menschen, Gemeinschaften und Institutionen unauflöslich verbinden. 

Ich wünsche Dir noch viele Jahrhunderte, um Menschen in ihrer Freude und Hoffnung, Trauer und Angst an den Wegkreuzungen aufzusuchen und ihnen Heimat zu geben! Wo ich kann und darf, helfe ich Dir gerne dabei. 

 

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

 

Ernst-Ulrich