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Dienstämter der Ohnmacht

Jesus lehrt die Männer, wie dienen geht

Bildnachweis: Mutter und Kind. Im Innenhof der Royal Foundation of St. Kathrine. London. Gästehaus der anglikanischen Kirche. 

Viele möchten endlich den gordischen Knoten zerschlagen. Männer übten über Jahrtausende Macht aus. Männer missbrauchten Macht. Männer sind Täter. In der Gesellschaft, aber auch in der Kirche.  Die Kirche hat Strukturen der Macht aufgebaut. Das gilt gerade in Deutschland, wo es immer noch viele Privilegien für Kirchen gibt.  

Im Idealfall sollen nun auch Frauen Macht ausüben. Diese Macht soll kontrolliert werden. Dies geschieht in Demokratien durch die Gewaltenteilung und durch zeitliche Begrenzung von Macht. In der evangelischen Kirche üben auch Frauen Macht aus, die kontrolliert wird. 

Besonders die katholische Kirche steht im Fokus. Männer üben hier Macht aus. Sie nennen es Dienst, aber in der Praxis entscheiden sie allein und nennen das den Willen Jesu. 

Tatsächlich ist es schwer, den Willen Jesu nach 2000 Jahren eindeutig festzulegen. Es gibt eben keine Bibelstelle, die festhält: "Ich sage Euch, nur Männer dürfen der Eucharistie vorstehen und Beichte hören:" 

Was es gibt, ist eine Tradition, die lange Zeit Frauen marginalisiert hat.

Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten

begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt. (Teresa von Avila)

 

Die Begründung für die alleinige Priesterweihe für Männer steht unter dieser Perspektive auf zweifelhaftem Fundament. Manche besonders eifrige Verteidiger reden von Jesu Auftrag und nutzen das Amt oft genug, um eigene Privilegien zu zementieren. 

 

Es sei denn, wir deuten Leitung und Macht auf biblischer Basis radikal neu.

 

 

Ich führe mal meine Perspektive kurz aus:

 

Kirche trägt die Erinnerung an den gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus durch die Zeit. In der Ökumene geschieht dies auf vielfältige Weise. Ich bin in Freundschaft mit Frauen und Männern verbunden, die als Ordinierte in ihren Konfessionen glaubwürdig Jesu Botschaft leben und verkünden. Von daher stehe ich der Idee, Frauen alle Dienste der katholischen Kirche zu öffnen, mit Sympathie nahe. Ich weiß auch, dass sich viele Frauen berufen fühlen und nenne immer gerne in diesem Kontext Therese von Lisieux!

 

Die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen nehmen nur Männer als Diakone, Priester und Bischöfe. Das ist gerade in Europa umstritten, weil es Machtstrukturen festigt, die wir in der Gesellschaft gerade überwinden. Doch in der Art, wie Diakone, Priester und Bischöfe Macht ausüben, geraten die Ordinierten oft genug auch in Widerspruch zu Jesu klaren Anspruch. Und das gilt auch dann, wenn die These stimmt, dass Jesus nur Männer in diesen Diensten wollte.  

Was bedeutet das praktisch?

Egal wie viele Geschlechter wir heute annehmen, halte ich mal als Prämisse fest, dass Jesus in seiner Zeit als Mann gelesen und erlebt wurde. Allerdings durchkreuzte er in der Art, wie er Mann war, die patriarchalen Muster seiner Zeit. Zusätzlich durchkreuzte er die Vorstellungen seiner Zeit, was der Messias tun wird und wie ein König handelt. 

 

  In Lukas 8, 1-3 erfahren wir, dass in seinem engeren Umfeld Männer und Frauen waren. Neben dem männlichen Jüngerkreis erhalten selbstverständlich auch Frauen zentrale Aufgaben. Besonders herausragend ist ihre Rolle bei der Salbung Jesu (Joh 11,2) und als Zeugen der Auferstehung Jesu. (Mt 28,9). Die Evangelien legen aus meiner Perspektive freilich auch den Verdacht nahe, dass die männlichen Jünger damit ein Problem hatten. Sie wunderten sich, dass Jesus mit einer Frau am Jakobsbrunnen geredet hatte (Joh 4,27) und sie halten die Botschaft von der Auferstehung zuerst für Weibergeschwätz. (Lk 24,11)  

 

Die Liebe, welche Jesus schenkt, wird im christlichen Verständnis von der unverwechselbaren Beziehung zu dem Gott getragen,  der Beziehung ist und Beziehung schenkt. 

Die Liebe Jesu ist zugewandt und zärtlich, aber auch loslassend und befreiend. 

Im Blick auf Jesu Umgang mit Frauen und Männern wird deutlich, dass Jesus intensive Freundschaften gepflegt hat. Keine Beziehung aber fesselte und keine Beziehung hinderte ihn daran, seinen Weg konsequent zu gehen. So verstehe ich auch den immer neu umstrittenen Zölibat. 

Wer jemals verliebt war, weiß, dass es keine freie Entscheidung ist, sich zu verlieben. Zumindest ist das meine Erfahrung. Aber es ist sehr wohl meine freie Entscheidung, wie ich diese Liebe gestalte. Gegebene Versprechen haben dabei immer Vorrang und begrenzen immer, wie eng ich mich an einen Menschen binde. Im Verlieben entdecke ich im Du einen unverwechselbaren göttlichen Schatz. Wir sollen einander lieben bedeutet, nach dem Schatz im anderen zu suchen. Wir sind aufgerufen, uns immer neu zu verlieben! Es ist problematisch, wenn Paare sich gegenüber anderen verschließen und nur noch ihre Zweisamkeit pflegen. Es ist problematisch, wenn Zölibatäre nicht mehr fähig sind, Freundschaften liebevoll zu gestalten und Liebe als Bedrohung empfinden. 

Die Prophetie des Ersten Testaments erwartete einen Befreier, der mit starker Hand Israel aus schwieriger Lage durch konkreten Kampf befreien wird. Auch die Jünger Jesu waren (und sind im Verlauf der Kirchengeschichte) immer wieder bereit, durch Macht und Unterdrückung den vermeintlichen Willen Jesu zu erfüllen. Auch da waren und sind es Männer, die in besonderer Weise als Täter und Unterdrücker auffallen.  Das galt lange Zeit auch im Umgang der Konfessionen untereinander. 

Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener. (Mt 20,25 - 26)

Wenn wir nun annehmen, dass Jesus tatsächlich wollte, dass Männer als Diakone, Priester und Bischöfe dienen, dann nur, weil gerade Männer lernen müssen, zu dienen statt zu herrschen. Männer sind bei diesem Lernprozess immer noch blutige Anfänger. 

Wenn wir nun annehmen, dass Jesus tatsächlich wollte, dass Männer als Diakone, Priester und Bischöfe dienen, dann nur, um gerade ihnen zu verdeutlichen, dass Jesu Macht in die Ohnmacht am Kreuz führt: Er zielt auf große Veränderungen durch Veränderung im einzelnen. Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen!  Er beendet das Patriarchat, indem er Männer in die Ohnmacht ruft. Er hat tatsächlich selbst keine Institution gegründet, aber bestehende Strukturen auf der individuellen Ebene verändert. Das enttäuschte alle, die gegen Rom kämpfen wollten und stellte am Ende doch viele Strukturen auf den Kopf. 

Die Weihe zu Diakon, Priester und Bischof müsste unter dieser Perspektive Erniedrigung der eigenen Rolle und Ermächtigung anderer sein. Die Geschichte (auch der Kirche) lehrt, dass gerade Männer da immer noch viel zu lernen haben. Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung (auch der Katholiken selbst) wäre es schön, wenn bei Gemeinde nicht sofort an den Priester gedacht wird, sondern an die Vielen, die sich am Sonntag in der Eucharistie versammeln.

 

Priesterliche Leitung besteht also gerade darin, dass andere dazu ermutigt werden, in der Kirche und in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden und die Talente der Getauften auch an leitender Stelle einzubringen und uneingeschränkt und unkontrolliert zuzulassen. Mein Blick geht dabei auf Menschen wie Angela Merici, die ihre Hingabe an Christus mit sozialer und pädagogischer Arbeit an den Brennpunkten der Not verband. Ich denke auch an Hildegard von Bingen, die lange kämpfte, um ihren Weg gehen zu können. Zu oft standen Männer begabten und berufenen Frauen im Weg.

Bei Euch aber soll es nicht so sein!

 

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